[Rezension] Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens

ANGABEN

Titel: Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens
Autor: Roman Ehrlich
Genre: Belletristik
Seitenzahl: 640
Format: gebunden
Preis: 24,00€
Verlag: S. Fischer
ISBN 978-3-10-002531-9

Inhalt: Sie treffen sich Woche für Woche in einer Kneipe und erzählen sich ihre schlimmsten Ängste. Es ist ein außergewöhnliches Projekt, zu dem Christoph sie alle eingeladen hat. Er ist Regisseur und sie sind Schauspieler, Bühnenbildner, Cutter oder einfach nur Freunde. Sie haben Angst vor der Dunkelheit und der Liebe, vor Einsamkeit und Kriechtieren, vor dem Wahnsinn und vor vertauschten Krankenakten. Aus ihren Geschichten soll das Drehbuch für den Horrorfilm Das schreckliche Grauen entstehen. Nach Monaten der Vorbereitung beginnen schließlich die Dreharbeiten und ihnen wird klar, dass Christophs Ideen viel radikaler sind, als sie bisher dachten.



REZENSION
 

Wenn ich ehrlich bin, fehlen mir ein wenig die Worte zu diesem Roman.
Das einzige, was ich mit großer Sicherheit sagen kann ist, dass es sicherlich kein Buch für jedermann ist. Ich bin mir sicher, dass es viele Menschen gibt, die nichts damit anfangen können. Einige werden aber auch stark beeindruckt sein
Ich selbst würde mich irgendwo dazwischen einordnen.
Es ist ein Roman, der mich streckenweise wirklich begeistert, aber auch sehr ratlos zurückgelassen hat.

Was ich sehr interessant fand war, dass es keine direkte Rede gab. Und auch, wenn es zu Beginn sehr ungewohnt war, hat es sehr viel zur Atmosphäre der Geschichte beigetragen. Dadurch, dass all die Worte der Charaktere nur indirekt durch den Erzähler widergegeben wurde, fühlte es sich viel mehr wie ein großes Ganzes an. Es wird eine Erzählsituation simuliert, als säße man mit dem Erzähler beisammen, dass es sich für mich sehr echt anfühlte. Mit direkter Rede wäre die Wirkung sicherlich nicht ganz so stark gewesen.

Das Buch wird durch schwarze Seiten in drei Teile eingeteilt: die Anfangsgeschichte, den weiteren Verlauf des Projekts und eine Art Epilog. Eine Einteilung in Kapitel gibt es nicht, was die Erzählsituation für mich unterstreicht und gut zur indirekten Rede passt.

Die ganze Handlung besteht vor allem aus vielen verschiedenen Geschichten, die die Charaktere mit sich bringen. Sie sind wie eigene kleine Erzählungen, die durch die Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Außer dem Thema Angst haben sie keine Bezüge zueinander.
Ich fand es schön, wie so viele unterschiedliche Ängste geschildert und erwähnt wurden, dass sich wirklich jeder Leser in ihnen wiederfinden wird. Es sind alles sehr reale Ängste, die mit unserer Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Lebensweise einhergehen. Somit wird hier also auch ein großes Problem aufgeworfen, nämlich der Einfluss, den die Gesellschaft auf uns hat. Der Druck, dem wir ausgesetzt sind, uns auf eine bestimmte Weise zu verhalten und solche Dinge. Somit würde ich das Buch auch als eine Art Kritik sehen.
Man fühlt sich auf eine sehr seltsame Weise verstanden, die irgendwie tröstlich ist, aber auch ein wenig Angst macht.

Somit konnte ich mich auch mit den Charakteren sehr gut identifizieren. Moritz, den Erzähler, lernt man natürlich am besten kennen, denn es ist ja auch sein Blick, durch den wir die Gesamtsituation betrachten. Er ist ein richtiger Durchschnittstyp, den man gut verstehen kann. Ich persönlich würde so weit gehen, zu behaupten, dass wirklich jeder ein bisschen so über das Leben denkt, wie er. Er beschwert sich über seinen Alltag und die Arbeit und wurde von seiner Exfreundin verlassen. Eigentlich hat er nie eine richtige eigene Meinung und lässt sich gerne von den anderen führen. Trotzdem hat er eine sehr kritische Sicht auf seine Umgebung, was man zum Beispiel gut an seinen Gedanken über das Konsumverhalten der Menschen sehen kann.
Alle anderen Charaktere waren für mich weitaus undurchsichtiger. Dennoch empfand ich das nicht als ein Manko, denn man nahm sie wie Menschen aus der eigenen Umgebung wahr, an denen einem immer wieder etwas auffällt, aber auch einiges verborgen bleibt. Es gibt immer wieder Andeutungen, was sie im Leben antreiben könnte, aber man steigt nie ganz dahinter. Diese Art der Darstellung hat mir sehr gefallen.

Damit bin ich auch schon bei meinem ersten Kritikpunkt, von dem ich mir aber auch nicht sicher bin, ob ich ihn wirklich als negativ empfinde: Es werden immer wieder Fragen und Konflikte aufgeworfen, aber trotz der Länge des Romans so gut wie nie gelöst. Alles bleibt offen und ungeklärt und führt somit zu einer großen Unzufriedenheit, die man am Ende verspürt.
Ich weiß noch immer nicht so ganz, wie ich damit umgehen soll, denn obwohl ich mich irgendwie nicht befriedigt fühle, ist es ein intelligenter Kniff des Autors. Es ist im Grunde wie im echten Leben: Moritz weiß diese ganzen Dinge selbst nicht. Er stellt sich all die Fragen, die man sich als Leser stellt, bekommt aber selbst keine Antworten. Es ist nur logisch, dass Dinge ungeklärt bleiben, schließlich erfährt man im echten Leben auch nicht alles, was man gerne noch gewusst hätte. Die Menschen enthalten einem die Antworten oder man kann sie nicht fragen, weil man sie nie wieder gesehen hat.
Es macht die Geschichte auf eine gewisse Weise also nur noch authentischer. Und vielleicht sollten wir Menschen auch einfach nicht immer den Sinn und die Lösung für alles suchen, denn nicht alles hat einen Grund.
Das Ende ist sehr offen gehalten und hat für mich bis jetzt keine direkte Verbindung zum Rest des Buches. Auch das ist ein Punkt, der mich sehr zum Nachdenken anregt, was aber sicherlich auch die Intention dahinter ist.

Alles in allem ist der Roman für mich kein großes Meisterwerk, wenn es um die Rahmenhandlung geht. Die Idee dahinter ist sehr interessant, aber durch die Umsetzung eben sehr unzufriedenstellend. Man hätte sicherlich noch etwas sehr viel Größeres daraus machen können. Es gab für mich auch keinen großen Spannungsbogen. Die kleinen individuellen Erzählungen mittendrinnen hatten alle ihren eigenen, aber es gab eben keinen ganz großen.
Ich denke, dass das alles sicherlich auch beabsichtigt war. Dass der Fokus extra auf der Dokumentation vieler verschiedener beunruhigender Erlebnisse lag. Das allein finde ich auch sehr schön und hat mir beim Lesen sehr viel Spaß gemacht. Aber diese sehr originell anmutende Rahmenhandlung hätte es nicht gebraucht. Vielleicht hätte das sogar noch viel besser in einen ganz einfachen Rahmen gepasst, sodass der Fokus noch klarer gewesen wäre. Es ist die Kombination, mit der ich nicht so ganz warm werde.

Um ein Fazit zu ziehen:
Es ist trotz meiner Kritikpunkte ein sehr interessanter Roman, der sehr zum Nachdenken anregt. Ich denke, dass sehr viel darin steckt, was einem erst im Nachhinein wirklich bewusst wird. Man kann sich gut mit den Charakteren und ihren Ängsten identifizieren, was das Lesen allein schon wert ist. Wer großen Wert auf viel Spannung legt, sollte eher nicht zum Buch greifen, denn ich denke, er würde enttäuscht werden.
Die Handlung verspricht nicht ganz das, was ich davon erwartet hätte. Das Gefühl der Unzufriedenheit, das ausgelöst wird, wirkt wiederum sehr anregend, sodass es nicht gänzlich negativ ist.
Ich denke, ich werde noch oft über den Inhalt nachdenken, denn er verspricht sicherlich mehr, als man beim einfachen Lesen mitnimmt.


Handlung
○○
Charaktere
Schreibstil
Struktur





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